Interview mit Carster Meyer – Orgel Hoax HX3

Written by Attilio De Simone on . Posted in Gear

 Von 1983 an war KeyboardPartner in Braunschweig ansässig und verkaufte in einem Ladengeschäft Synthesizer und Keyboards. Wenig später erweiterten eine Werkstatt und ein eigenes Studio das Angebot. Nach Auflösung des Geschäftsbetriebs 1989  führen nun der ehemalige Techniker Carsten Meyer und Ehefrau Michaela den Namen weiter – in Form eines Online-Shops für selbst entwickeltes und produziertes Zubehör für Orgeln und andere Musikinstrumente.

von Attilio De Simone

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1) Sie sind erst ein Technicher in Hammond-Orgel-Reparatur spezialisiert und auch sind Sie für die Lieferung der Ersatzteilen für alten Orgel zuständig. Sie können diese Orgel sehr gut.  Was können Sie erst über die Hammond sagen? Und warum ist ihr Ton nicht wiederholbar?

Leider habe ich kaum noch Zeit für Hammond-Reparaturen – es ist nur noch ein schönes Hobby: Wenn man eine 50 Jahre alte Orgel gut restauriert, hält sie wohl noch mal 50 Jahre… das ist wirklich sehr befriedigend. Keine Hammond, die ich reparierte, glich einer anderen – bedingt durch die großen Toleranzen der alten Bauteile ist keine perfekt und jede anders.
Das ist das Stichwort: Perfekt ist langweilig. Elektronische Instrumente mit 1/2-Frequenzteilung und (12. Wurzel aus 2)-TOS arbeiten mathematisch perfekt, klingen aber wie Plastik. Gerade die mechanischen Toleranzen und “Unzulänglichkeiten” der Hammond machen den lebendigen Klang aus. Der Tongenerator produziert einen ziemlich lausigen Sinuston mit vielen Nebengeräuschen, inkonstanter Phasenlage, heftigen Intermodulationen und ständigen Tonhöhenschwankungen, die Tastenkontakte arbeiten sehr geräuschvoll, der Röhrenverstärker hat einen miserablen Frequenzgang und einen hohen Klirrfaktor. Das macht es aber aus!
Viele Clones orientieren sich an einer “perfekten” Hammond oder einem Mittelwert des Klanges von 10 oder 20 B3-Orgeln. So hat es Hammond-Suzuki gemacht. Ergebnis: Langweilig. Selbst wenn man eine B3-Orgel sampelt, ist das langweilig: Es kommt immer das gleiche Tastenklicken, immer die gleiche Phasenlage.

2) Wie hatten Sie die Idee die FPGA-Technologie zu verwenden? Eigentlich die FPGA-Karten werden fur Industrie- und Haushalt-Geräte verwendet, aber ganz selten für die Musik (in Italien ein Entwickler versucht seit Jahrzenten die Elka Synthex mit FPGA wieder zu schaffen). Man muss sagen, aber, dass die Orgel HX3 kliengt anders als alle anderen Software/Hardware, die den Ton der Hammond emulieren. Wie konnte es möglich sein? Es liegt nur an der verwendeten Software, oder auch an der Technologie der FPGA, die einen glaubwurdigen Ton erzugen kann?

Ein FPGA ist im Prinzip ein digitaler Schaltplan, keine Software und kein Programm. Man modelliert den Schaltplan zwar in einer Art Programmiersprache, aber letztendlich ist das Ergebnis eine Schaltung und kein Programm. Das schöne daran: Eine Schaltung kann nicht abstürzen, kann beliebig viele Dinge gleichzeitig (und zwar *wirklich* gleichzeitig und nicht nur quasi-gleichzeitig wie Mikroprozessoren und DSPs) und reagiert sofort. Ich kann mit einem FPGA einen FM-Sender bauen, Internet-Pakete routen oder ein Cruise Missile steuern – es kommt nur darauf an, wie man die beispielsweise 700.000 Gatter in einem typischen FPGA verdrahtet.
Ich hatte mich schon in vielen anderen Projekten (außerhalb der Musikelektronik) mit FPGAs beschäftigt und war ganz fit in VHDL, der FPGA-“Programmiersprache”. Ich dachte mir, dass das FPGA die vielen Dinge, die in einer Hammond parallel ablaufen, gut erledigen kann. Etwa 91 Töne *gleichzeitig* erzeugen oder die 1098 Tastenkontakte *gleichzeitig* bereitstellen.

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3) Kann man sagen, dass die Software-Einleitungen, die in die FPGA eingeführt sind, die gleichen sind, die man für ein VA-Software oder Plugin finden kann, oder ist die Struktur der Einleitungen komplett anders?

Die Struktur ist anders, weil hochgradig parallel. Es sind natürlich einige Dinge enthalten, die man leicht auch mit einem DSP oder einer VA-Software machen könnte, etwa die starke Frequenzabhängigkeit des Chorus-Vibratos-Mix. Manche Dinge werden damit aber nicht möglich, etwa die Latenzfreiheit. Ich habe im FPGA eine “Key-to-Audio”-Latenz von 50 Mikrosekunden, hinzu kommt nur noch die Scan-Zeit der Tastatur, etwa 900 Mikrosekunden 61 Tasten und zwei Manualen. Mit rund 1 Millisekunde Gesamt-Latenz ist HX3 äußerst “responsive”. Das merkt vielleicht nicht der Zuhöhrer, aber derjenige, der das Instrument spielt.

4) Warum am anfang war möglich die Hoax-Technologie nur zusammen mit alten Geräten zu verwenden und haben Sie nicht ab sofort ein Hoax-Expander oder eine Hoax-Orgel gebaut? Es war nur eine Fragen der Kosten oder hat man eine Entwicklungszeit davon gebraucht?

2011, als ich mit dem “Hammond on a Xilinx”-Projekt begann, war es ein reines Wochenend-Projekt, nur für mich privat. 2012 erhielten dann die ersten Freunde Umbauten für ihre Instrumente und empfahlen das Konzept weiter. So ist es bis heute – ich habe wie Don Leslie nie Werbung für mein Produkt gemacht!
Für eine Fertigung eines kompletten Instruments war meine Firma zu klein. Denken Sie nur an die RohS- und WEEE-Richtlinien oder die CE-Kennzeichnung bei elektronischen Geräten, die für Kleinserien unglaubliche Kosten verursachen.

5) Ist in die Zukunft eine Hoax-Orgel vorgesehen? Wird die Sofware weiter entwickelt oder, ist das System so gut, dass es keine weitere Entwicklung braucht?

Die Entwicklung ist nie abgeschlossen. Klanglich bin ich mit dem jetzigen Stand zufrieden, aber bezüglich der MIDI-Implementation und der Bedienung gibt es noch viele Verbesserungsmöglichkeiten. Meine Leslie-Simulation ist auch nicht optimal – im jetzigen FPGA ist nur noch Platz für eine vereinfachte MONO-Version. Vielleicht wird es eine Erweiterung mit einem eigenen Leslie-FPGA geben, dann auch detailgetreuer und in Stereo.

6) Sie hatten mir geschrieben, dass mit dem vorgegebenen HX3-Software möglich ist auch anderen Orgeln (wie Farfisa, VOX, usw) und String Machinen zu erzeugen. Wie kann man es machen? Und ist es vorgesenhen in die Zukunft ein Expander für anderen Instrumente (ich denke an Combo Orgel und String Machinen, die die gleiche Technologie verwenden)? Es wäre sehr gut ein anderes leichtes Gerät zu haben, das anderen Soud-Familien erzeugen kann.

Ja, man kann im Prinzip die gleiche Platine verwenden. Die Beispiele sollten sogar viel einfacher zu realisieren sein, so dass mehrere gleichzeitig in das FPGA passen. Bislang nur eine Idee –  es fehlt mir einfach die Zeit dafür. Ich habe ja auch noch einen Hauptberuf – Redakteur bei der deutschen Computerzeitung c’t.

7) Unter den vielen positiven Elemente gibt es die Percussion, die sehr glaubwürdig und real ist.
Was waren die Elemente, die die Percussion so effektiv gemacht haben?

Vor allem die bereits erwähnte “Responsiveness”. Bei HX3 muss die Perkussion nicht extra berechnet werden, sie ist einfach als “Original”-Schaltung vorhanden! Und weil die innerhalb weniger Mikrosekunden reagiert, ist die Perkussion so “explosiv” und “holzig” – das beschreibt es wohl ganz gut. Und natürlich ist mein Tastenklick kein synthetisches Rauschen, sondern das federnde, zufällige “Prellen” der Tastenkontakte.

8) Gibt es die Möglichkeit, um die Schließung der neun Drawbar-Kontakten mit variabler Geschwindigkeit zu emulieren (langsam wenn man die Tasten leiser spielt, schnell wenn man die Tasten stärker druckt) oder man diese Feinheit nur mechanisch erzeugen kann?

HX3 besitz diese Fähigkeit von vornherein. Im Prinzip kann ich jeden Tastenkontakt einzeln schalten, mit eigener Tastenfeder-Konstante und Dämpfung, die beide den Tastenklick ausmachen. Problem ist nur, das mechanisch auszuwerten. Mein Freund Gerrit Kuhlendahl von www.bas-systems.de hat für HX3 eine Tastatur mit optischen Kontakten entwickelt, die ist aber recht teuer. Damit kann man tatsächlich die Tastenkontakte der HX3 einzeln heraushören, wenn man die Taste sehr langsam drückt. Hier ein altes Video: http://youtu.be/11Si_dzCuQs (ab 0:27 zu sehen). Per MIDI kann man leider keine Tasten-Weg-Information übertragen; ich verwende die MIDI-Velocity, um die HX3-Tastenkontakte unterschiedlich schnell zu schließen. Das ist aber ein eher subtiler Effekt, der nur innerhalb enger Grenzen funktioniert. Bei der Hammond sind das ja nur wenige Zehntel Millimeter Tastenweg.

Für Infos: shop.keyboardpartner.de

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